Photoart - Kalmar

Making of Vienna 50 Gigapixel

Weltgrößtes Bild ( 21 Juli 2010 )

Vor etwa einem dreiviertel Jahr erhielt ich ein Mail mit einer Anfrage zum Test eines automatischen Panoramakopfes. Zunächst einmal habe ich mich ein wenig gewundert, da ich alle meine Panoramen ausschließlich mit einem manuellen Kopf mache.
Da ich aber doch neugierig war zu sehen, welche Fortschritte, vor allem in Richtung Software und Handhabung bei diesen Geräten, in den vergangenen 3 Jahren gemacht wurden, kamen wir dann doch ins Gespräch.
Nach ein paar Tests, die alle ohne Probleme verliefen, war es dann im April so weit: Als ich den Donauturm, einen Wiener  Aussichtsturm, bestieg, erlebte ich ein völlig neues Gefühl: es wäre ja nicht schlecht,  alles aufzubauen, zu warten, dass der Kopf den Rest von selbst erledigt,  und ca. 3 Stunden später nach Hause zu gehen- oder?
Leider musste ich schon während der ersten Begutachtung der Einzelbilder erkennen, dass das Ergebnis gewisse Mängel aufweisen werde. Ein automatischer Kopf kann nämlich eines nicht: denken.
Auf den Einzelbildern waren haufenweise abgeschnittene Autos, halbierte Züge, und nur ein einziger Kran war so abgelichtet, dass er ohne Armamputation im fertigen Bild auf der Baustelle seinen Dienst verrichten könnte. Um ein auch nur einigermaßen brauchbares Bild zu erhalten, wäre es notwendig gewesen, das fertige Bild monatelang aufwendig zu retuschieren.
Natürlich wäre es auch möglich gewesen, beim Fotografieren die ganze Zeit lang neben der Kamera zu stehen, um bei jeder Stelle, die bewegte Szenen zeigt, manuell auszulösen, nur: Wo ist das auf diesem Bild nicht der Fall? Wenn man während der gesamten Zeit erst recht neben der Kamera stehen muss, um ein brauchbares Ergebnis zu bekommen, macht so ein automatischer Kopf einfach keinen Sinn mehr.
Um dem Problem mit springenden Schatten aus dem Weg zu gehen, habe ich nicht, wie sonst üblich,  in horizontalen Schlangenlinien, sondern in vertikalen Streifen fotografiert.
Obwohl der Kopf eine ausgezeichnete Qualität hatte, ist so ein Automat, will man ein anständiges Ergebnis erhalten, meiner Meinung nach nicht zu brauchen. Einzige Ausnahme: Man hat nichts- oder so gut wie nichts- Lebendes im Bild und keine Probleme mit dem Fokus zu erwarten ( so wie das beim ausgezeichneten 27 Gigapixel Paris Bild von Arnaud Frich der Fall war).
Also habe ich alles in den Windows Papierkorb geworfen, tief durchgeatmet und bin noch einmal auf den Turm geklettert.
Als ich das Projekt vorbereitete, dachte ich eigentlich, dass hier die größte Hürde liegen würde. Der Donauturm verfügt natürlich über eine Aussichtsplattform, die ist zwar toll für Besucher, aber zum Fotografieren wegen der zahlreichen Gitterstäbe nicht geeignet. Erfreulicherweise hat mich das Team vom Donauturm aber hervorragend bei meiner Arbeit unterstützt und so war es möglich, meine Kamera und mich etwa 50 Meter über der allgemeinen Besucherplattform in Stellung zu bringen.
Für diese Arbeit galt es, eine Menge Herausforderungen zu lösen, um ein schönes Ergebnis zu bekommen.


Wind: 
Der weht hier oben immer.
 Zunächst einmal habe ich die längst mögliche Verschlusszeit durch mehrere Bilder ermittelt.
Erst ab 1/2000 sec. waren bei 400mm Brennweite brauchbare Ergebnisse zu bekommen, was eine Blende von 8 bei 650 Asa erforderte. Leider war bedingt durch den Wind die Verwendung des 1,4 fach Konverters nicht mehr sinnvoll.


Temperatur:
Da sich die Schatten sehr schnell verändern, wenn man zu früh beginnt, habe ich bis 08:45 gewartet. Um 10 Uhr waren in der Sonne bereits 31 Grad erreicht, und um 11 Uhr 38 Grad, und als ich um 11.43 mein letztes Bild machte waren es 48 Grad. Für meinen Abstieg, der über mehrere Außenleitern auf das Dach des Restaurants führte, habe ich dann auch dreimal so lange wie für den Aufstieg benötigt.


Standortwechsel:
Der Kreisdurchmesser, auf dem ich wandern musste, um ein 360 Grad Bild zu erhalten, betrug 20m. Durch die zahlreichen Antennen musste der Standort ca. 8-mal gewechselt werden.
Entscheidend für ein gutes Resultat war vor allem, wo man den Standort wechselt. Diese Leiter (1) zum Beispiel ist nicht ohne Grund im Bild. Es wäre kein Problem gewesen, den Standort vorher zu wechseln. Es hätte aber schlimme Folgen im Bild gehabt. Da durch die Hochhäuser (2) im Vordergrund nahe und entfernte Objekte in den Einzelbildern abgelichtet sind, wäre hier das Verschieben der Parallaxe deutlich sichtbar gewesen (etwa 30 Pixel). Daher erfolgte der wegen zahlreicher Antennen notwendige Wechsel erst nach den Hochhäusern. Die weit verbreitete Meinung, dass Teleobjektive für Abweichungen vom Nodalpunkt nicht anfällig sind, kommt daher, dass normalerweise auf Grund der eingeschränkten Schärfentiefe dieser Objektive nahe und entfernte Objekte nicht in einem Bild sind. Ist dies aber der Fall, werden auch bei Teleobjektiven Abweichungen sichtbar.
Wenn man also vor hat, die Gesetze der Panoramafotografie zu brechen, in dem man den Standort beim Fotografieren wechselt, muss man gut überlegen, wie man das anstellt, ohne bestraft zu werden. Von entscheidender Wichtigkeit war es auch, nach jedem Wechsel die Kamera ganz exakt auszurichten. Zur Absicherung habe ich hierfür drei Wasserwaagen verwendet: eine an der Mittelsäule des Stativs, eine am Kopf, auf dem dann der Nodalpunktadapter befestigt war (dazu noch etwas später), und eine an der Kamera. Erst wenn alle drei ausgerichtet waren, habe ich weiter gearbeitet.


Wandernde Schatten:
Natürlich hört die Erde während des Arbeitens nicht auf, sich zu drehen. Zwangsläufig verändern sich dabei auch die Schatten. Um den damit verbundenen Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, habe ich mich entschlossen, nicht wie sonst üblich in horizontalen Schlangenlinien, sondern in vertikalen Streifen zu fotografieren. Dadurch konnten Probleme mit wandernden Schatten fast zur Gänze vermieden werden. Alleine die Nahtstellen im Panorama belegen deutlich, dass sich die Erde doch noch dreht (die Schatten 3 und 4 zeigen in verschiedenen Richtungen).

Schon vor einiger Zeit habe ich für meinen Panoramakopf einen Ring mit 3,6 Grad Clickstops fräsen lassen, allerdings nur für den horizontalen Rotor. Der vertikale ist für so feine Stops viel zu klein. Um dieses Panorama zu verwirklichen, waren aber Clickstops für den vertikalen Rotor unumgänglich. Die einfachste Lösung hierfür war, den Panoramakopf nicht direkt am  Stativ zu montieren, sondern zuerst meinen normalen Kugelkopf und dann mittels diesem, den Panoramakopf um zu drehen. So wurde der horizontale zum vertikalen Rotor mit Clickstops.
(Hier noch mit 1,4 Telekonverter, mit dem ich aber wegen zu viel Wind dann doch nicht arbeiten konnte).
Mit dem so umgebauten Panoramakopf lässt sich dann mit ein wenig Übung unglaublich schnell arbeiten. Über 3600 Aufnahmen in nicht einmal 3 Stunden, und das bei voller manueller Kontrolle.
Bedenkt man noch die Zeiten für den Standortwechsel, dass bei jedem neuen vertikalen Streifen der AF abgestellt und dann, sobald man die Stadt erreicht hat, wieder an gestellt werden muss, sowie die Wartezeiten, wenn Kräne oder Autos nicht korrekt im Bild waren, kann man sich sehr leicht ausrechnen, wie schnell man mit so einem Kopf arbeiten kann.
Konzentration:
Die Konzentration über den gesamten Zeitraum bei Temperaturen bis weit über 40 Grad nicht zu verlieren, ist schon eine Sache für sich.


Technische Details:
Kamera/Optik:
Ich werde immer wieder danach gefragt welche Kamera, Objektive, Programme und sonstige Hardware ich verwende. Wie man auf dem oberen Foto sehen kann, habe ich dieses Panorama mit einer 5dMk 2 und einem 400mm 5,6 gemacht. Trotzdem sind Kamera und Objektiv nur zu maximal 5 Prozent an der endgültigen Bildqualität beteiligt. Den meisten Einfluss bei solchen Bildern hat das Wetter.
Um es einmal anders auszudrücken: Selbst die billigste Kamera/ Objektiv- Kombination liefert bei klarem Wetter ein weitaus besseres Bild als die aller teuersten Geräte. Auch bei Verwendung eines 1,4 -fach Konverters bekommt man, so man nicht vergisst, dass die Verschlusszeit wesentlich schneller sein muss, noch ausgezeichnete Ergebnisse. Hier ein 100% Crop mit 1/2000 sec und Blende 8 (also ganz geöffneter Blende!) bei Windstille. Wie man sehen kann ist dieser absolut scharf.
Der Grund, warum so viele Gigapixelbilder mit 1,4- fach Konverter unscharf sind, liegt nur daran, dass die Verschlusszeit zu lange ist. Anders sieht es mit 2- fach Konvertern aus. Mein Rat: Lasst die Finger davon. Da ist es schon wesentlich vernünftiger, sich eine Kamera mit Cropsensor zu kaufen.
Trotzdem rate ich, was die Kamera betrifft, eher zu einem „gehobenen“ Modell. Billige Kameramodelle sind einfach nicht darauf ausgelegt, mehrere tausend Bilder in so kurzer Zeit zu knipsen. Vor allem dann nicht, wenn man so etwas öfters machen will.


Raw oder Jpg:
Ich arbeite ausschließlich mit Raw. Das hat den Vorteil , sich nicht schon beim Fotografieren über den Weißabgleich Gedanken machen zu müssen.


Stativ/Panoramakopf:
Ein stabiles Stativ ist ein absolutes Muss. Mehr kann man dazu einfach nicht sagen. Was den Panoramakopf betrifft, gibt es mittlerweile  viele verschiedene Lösungen. Diese reichen von billigen 150 Euro Modellen bis zu ultrateuren, motorisierten VR Lösungen. Ich verwende einen Nodalninja 5.
Aber das soll keine Empfehlung sein. Jeder stabile Kopf ist für so eine Aufgabe geeignet.
Wie ich schon anfangs erwähnt habe, eignen sich motorisierte Lösungen nur dann, wenn man mit den Einschränkungen die der Motor mit sich bringt, leben will.
Auf einen weiteren Nachteil der Motorisierung möchte ich auch noch hinweisen: Man kann einen Motorkopf bei solchen Projekten nur sehr bedingt mit Autofokus kombinieren. Das hat einen sehr einfachen Grund: Es gibt bei so großen Panoramen immer wieder Stellen, bei denen der AF keinen Punkt zum Fokussieren findet (bei diesem Projekt z.B. machte das Wasser dem AF immer wieder einmal zu schaffen). Einzige Ausnahme: Sie vergewissern sich vorher, dass es solche Probleme nicht geben wird.
Im Paris- Bild wurde für jede Zeile die Scharfeinstellung manuell geändert, wodurch schon deutliche Verbesserungen gegenüber der herkömmlichen Methode, alles mit der gleichen Fokuseinstellung zu fotografieren, erreicht werden konnte.
An die Möglichkeit, jedes Bild einzeln perfekt zu fokussieren kommt diese Methode aber bei weitem nicht heran.
Mein Rat: Investieren Sie Ihr Geld lieber in teure Optiken als in teure automatisierte Lösungen.
Möchten Sie den Prozess des Fotografierens trotzdem automatisieren: Wollen Sie am Ende nicht nur eine Ansammlung von Pixel sondern ein Bild erhalten, seien Sie vorsichtig mit der Standortwahl oder rüsten Sie sich für lange Nächte mit Photoshop.


Software:
Um die vielen Bilder zu einem einzigen Bild zusammen zu setzen benötigt man eine sogenannte Stitching Software. Hier haben sich in den letzten Jahren drei Programme durchgesetzt: PTGui, Autopano und Hugin.
Eine Empfehlung abzugeben, wäre schlicht und einfach nicht seriös. Mit allen Programmen sind identisch gute Ergebnisse zu erreichen, vorausgesetzt man kann sie auch bedienen. Probieren Sie alle Programme mindestens 3 Monate vor dem Kaufen aus. Von brauchbaren Programmen gibt es immer Testversionen.
Ein kleines Geheimnis möchte ich hier auch noch verraten: Ein Landschaftspanorama (dazu zähle ich auch Stadtpanoramen) gehört zu den leichten Aufgaben für eine Stitchingsoftware. Die Größe spielt dabei keine Rolle. Für die Software ist es egal, ob sie eine Stadt aus 10 oder aus 10.000 Bildern rechnen muss. Nur leider nicht für den Fotografen. Der Hauptschuldige, warum so oft entweder gar kein Ergebnis oder ein sehr schlechtes zustande kommt, ist der Fotograf, nicht die Software.
Eben genau aus diesem Grund schafft es kein Programm, Ihnen ein perfektes, fehlerfreies Ergebnis bei dieser Datenmenge zu liefern.
Typische Fehlerquellen sind: Kontrollpunkte an bewegten Elementen (z.B. Wolken, Autos…), Fehlende Kontrollpunkte an sich überschneidenden Bildern (die häufigste Ursache für Stitching -Fehler) und Elemente, die auf einem Bild scharf fokussiert sind, auf einem überschneidenden Bild nicht.
Enthält das Ergebnis massenhaft Geisterbilder, haben Sie einfach den falschen Standort für Ihren automatischen Kopf gewählt. Kein Programm der Welt wird Ihnen da helfen können.
Noch ein Tipp für große Panoramen: Nehmen Sie sich vor dem Stitchen die Zeit, nach möglichen Fehlerquellen zu suchen. Alle Programme geben schon vor dem Stitchen eine Prognose über das zu erwartende Ergebnis ab. Ist diese schlecht, suchen Sie nach den Gründen, bevor Sie Ihren Computer tagelang umsonst schwitzen lassen.


Der Computer:
Zunächst einmal die gute Nachricht: Man kann so ein Bild mit fast jedem Computer machen.
Jetzt die schlechte Nachricht: Je älter das Modell, desto mehr Geduld benötigen Sie.
Ab 10 Gigapixel sollten Sie ein 64 bit System mit mindestens 8GB Ram und 4 Kern CPU benutzen.
Und: Sie benötigen viel Platz auf Ihren Festplatten, um so ein Bild zu errechnen: Für diese Größe mindestens 2TB. Alle Panoramaprogramme lagern beim Rechnen Ihre Informationen auf der Festplatte in Form von temporären Dateien aus.


PC oder Mac, Intel oder AMD
Spielt absolut keine Rolle

.
Das Zusammensetzen der Einzelbilder:
Hier hat jeder seinen eigenen Workflow.
Bei so großen Projekten versuche ich niemals, das ganze Panorama auf einmal zu laden. Das hat einen sehr einfachen Grund: Immer wieder schleichen sich an der einen oder anderen Stelle falsche Kontrollpunkte ein. Diese dann bei so vielen Bildern zu finden, ist mühsam. Ich lade immer so ca. 500 Bilder dazu und optimiere vor dem nächsten Schub immer alles. So ist es wesentlich einfacher, Probleme ausfindig zu machen und zu lösen. Aber jeder hat hier wohl seine eigene Methode.
Sind alle Kontrollpunkte gesetzt, zerlege ich das Ganze in 6 Kacheln zu je 60°. Das ganze Bild auf einmal zu rechnen, macht keinen Sinn, da es kein Programm gibt, mit dem man so eine Datei öffnen könnte. Und selbst, wenn: Möchten Sie wirklich wissen, wie lange es dauern würde, eine Datei mit 150GB auf Ihrem PC zu öffnen? Von den 6 Kacheln hat jede so ca. 25 GB, und das ist schon eine ganze Menge.
Wie zeigt man so ein Panorama, nachdem alles fertig ist, im Internet:
Mit dem Krpano Viewer. Mit den dazugehörenden tools können Sie auch sehr bequem aus Ihren Riesentiles die fürs Internet nötigen kleinen tiles rechnen lassen und zu einem einzigen, Riesenpanorama zusammenfügen.
Abgesehen von den unendlichen Möglichkeiten, über die dieser kleine Viewer verfügt: Der Kundenservice wird jede noch so hohe Erwartung um Längen übertreffen.
Julian Kalmar


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